Wikileaks-Gründer Julian Assange

 

06 07 2018 Rubikon.news: Rettet Julian Assange

Es ist ein bedrückender Jahrestag: Am 19. Juni war es sechs Jahre her, dass der australische Programmierer, Autor und prominentester WikiLeaks-Aktivist Julian Assange Zuflucht in der Londoner Botschaft von Ecuador genommen hat. Seit sechs Jahren lebt er dort in einfachen Bürozimmern. Er kann das Haus nicht verlassen, weil ihm sonst die Auslieferung in die USA und damit möglicherweise die Todesstrafe wegen Geheimnisverrats droht. Assange hat sich mit den Mächtigen der Welt, insbesondere der US-Regierung angelegt. Über Jahre hinweg veröffentlichte WikiLeaks geheimes Material zu den Kriegen gegen Afghanistan und den Irak. Darin dokumentiert sind nicht nur Kriegsverbrechen und das Betreiben des Gefangenenlagers von Guantanamo Bay, sondern auch die systematische Unterstützung von Extremisten durch die CIA. Auch Hillary Clinton ist auf Assange nicht gut zu sprechen, schließlich brachte WikiLeaks ihre Wahlkampf-Tricksereien gegen ihren Konkurrenten Bernie Sanders ans Licht und enthüllte, dass ihre Stiftung von saudi-arabischen Spendengeldern in Millionenhöhe profitierte. Der renommierte australische Investigativjournalist John Pilger fordert: Julian Assange muss endlich freikommen. weiterlesen:

https://www.rubikon.news/artikel/rettet-julian-assange

 

 

18.08.2014: Assange will Ecuadors Botschaft bald verlassen

07/2014 Focus Ecuador verlängert Asyl für Wikileaks-Gründer Julian Assange

07/2014 Gericht bestätigt Haftbefehl gegen J. Assange

 

Auf der Jagd nach Julian Assange: Die unerzählte Geschichte

Quelle: Neopresse 06 2017:

http://www.neopresse.com/politik/usa/auf-der-jagd-nach-julian-assange-die-unerzaehlte-geschichte/?utm_source=Beitr%C3%A4ge+des+Tages&utm_campaign=469980e25e-Daily_Latest&utm_medium=email&utm_term=0_232775fc30-469980e25e-121287793

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Foto: Canciller Ricardo Patiño se reúne con Julian Assange / Cancillería del Ecuador - David G Silvers / flickr.com / CC BY-SA 2.0
Foto: Canciller Ricardo Patiño se reúne con Julian Assange / Cancillería del Ecuador - David G Silvers / flickr.com / CC BY-SA 2.0

Dieser Artikel von John Pilger wurde mit freundlicher Genehmigung von NewMatilda von Jakob Reimann für JusticeNow! ins Deutsche
übersetzt.

Julian Assange wurde rehabilitiert, das schwedische Verfahren gegen ihn
war mutmaßlich korrupt. Die Staatsanwältin Marianne Ny behinderte 
mutmaßlich die Justiz. Ihre Besessenheit mit Assange beschämte nicht 
nur ihre Kollegen und die ganze Judikative, sondern legte auch die gehei-
men Absprachen des schwedischen Staates mit den Vereinigten Staaten 
in ihren Kriegsverbrechen und „Überstellungen“ offen.

Hätte Assange keine Zuflucht in der ecuadorianischen Botschaft in 
London gesucht, wäre er längst auf dem Weg in amerikanische Folter-
kammern, wie sie Chelsea Manning ertragen musste.

Diese Aussicht wurde überschattet durch die makabre Schmierenkomödie
, die in Schweden gespielt wurde. „Es ist eine Lachnummer,“ sagte
James Catlin, einer von Assanges australischen Anwälten. „Als würden 
sie sich das alles spontan ausdenken.“

Es mag so aussehen, doch es gab stets einen Vorsatz. 2008 wurde in 
einem geheimen Pentagon-Papier, das vom „Cyber Counterintelligence Assessments Branch“ erstellt wurde, ein detaillierter Plan vorgelegt, 
um WikiLeaks zu diskreditieren und eine persönliche Schmierenkam- 
pagne gegen Assange zu führen.

Die „Mission“ war es, das „Vertrauen“ zu zerstören, das stets der 
„Kernpunkt“ von WikiLeaks Glaubwürdigkeit war. Dies sollte mit 
Drohungen über „Enthüllungen [und] Strafverfolgung“ erreicht werden. 
Das Ziel war es, diese unberechenbare Quelle der Wahrheit zum Schwei-
gen zu bringen und zu kriminalisieren.

Dies war sicher verständlich, hat WikiLeaks doch aufgedeckt, wie Amerika
eine Bandbreite menschlicher Angelegenheiten beherrscht, einschließlich
seiner epischen Verbrechen, vor allem in Afghanistan und im Irak: die im
großen Stil betriebene Tötung von Zivilisten und die Verachtung von 
Souveränität und Völkerrecht.

Diese Offenlegungen sind durch den 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten geschützt [Schutz u. a. von Meinungs- und Presse-
freiheit durch die US-Verfassung, Anm. J.R.]. 2008 lobte Präsident-schaftskandidat Barack Obama – Professor für Verfassungsrecht – 
Whistleblower als „Teil einer gesunden Demokratie, [die] vor 
Repressalien geschützt werden müssen.“

2012 prahlte Team Obama auf seiner Website damit, dass Obama in 
seiner ersten Legislatur mehr Whistleblower verfolgt hatte als alle 
anderen US-Präsidenten vor ihm zusammen. Bevor Chelsea Manning 
überhaupt der Prozess gemacht wurde, hatte Obama sie öffentlich für
schuldig erklärt.

Kaum ein seriöser Beobachter bezweifelt, dass – sollten die USA Assange 
in die Finger bekommen – ihm ein ähnliches Schicksal blüht. Laut von 
Edward Snowden veröffentlichten Dokumenten steht er auf einer 
„Verbrecher-Zielliste“ (“manhunt target list“). Drohungen seiner 
Entführung und Hinrichtung wurden in den USA fast zur politischen und
medialen Währung, nach Vizepräsident Joe Bidens unverschämter 
Verleumdung, der WikiLeaks-Gründer sei ein „Cyber-Terrorist“.

Hillary Clinton – die Zerstörerin von Libyen und, wie WikiLeaks im 
vergangenen Jahr enthüllte, geheime Unterstützerin und persönlich 
Begünstigte von ISIS unterstellten Truppen – schlug ihre eigene zweck-
dienliche Lösung vor: „Können wir den Typen nicht einfach per Drohne 
zur Strecke bringen?“ (“Can’t we just drone this guy.”)

Laut australischen Diplomatendepeschen war Washingtons Bitte, 
Assange zu fassen, „in Umfang und Art beispiellos.“ In Alexandria, 
Virginia, hat ein geheimes Geschworenengericht fast sieben Jahren lang 
damit verbracht, ein Verbrechen auszuhecken, für das Assange belangt 
werden könnte. Das ist gar nicht so einfach.

Der Erste Verfassungszusatz schützt Verlage, Journalisten und 
Whistleblower, ob es sich nun um den Redakteur der New York Times
oder den Herausgeber von WikiLeaks handelt. Die Redefreiheit wird als
Amerikas „Gründungstugend“ bezeichnet oder, wie Thomas Jefferson 
es nannte, „unsere Währung.“

Angesichts dieser Hürde hat das US-Justizministerium die Straftat-
bestände „Spionage“, „Verschwörung zur Spionage“, „Konvertierung“ 
(Diebstahl von staatlichen Eigentum), „Computer-Betrug und -
missbrauch“ (Computer-Hacking) und allgemein „Verschwörung“ 
konzipiert. Der bevorzugte Espionage Act, welcher während des Ersten 
Weltkrieges Pazifisten und Kriegsdienstverweigerer abschrecken sollte, 
hält lebenslange Freiheitsstrafe und die Todesstrafe bereit.

Assanges Fähigkeit, sich in einer solch kafkaesken Welt selbst zu vertei-
digen, wurde von den USA stark eingeschränkt, indem sie seinen Fall zum
Staatsgeheimnis erklärte. 2015 vereitelte ein Bundesgericht in 
Washington die Veröffentlichung von Informationen über die 
Untersuchung bezüglich der „nationalen Sicherheit“ gegen WikiLeaks, 
weil es ein „laufendes Verfahren“ war und die „anhängige Strafverfolgung“
Assanges behindern würde. Die Richterin, Barbara J. Rothstein, sagte, es
sei notwendig, „in Angelegenheiten der nationalen Sicherheit gegenüber 
der Exekutive angemessene Ehrerbietung“ zu demonstrieren. Das ist 
nichts als ein korruptes Scheingericht.

Für Assange war sein Prozess auch eine mediale Schlacht. Als die 
schwedische Polizei am 20. August 2010 die „Ermittlungen wegen 
Vergewaltigung“ eröffnete, koordinierte sie dies – illegalerweise – mit 
den Stockholmer Boulevardblättern. Auf den Titelseiten prangte, Assange
sei wegen der „Vergewaltigung zweier Frauen“ angeklagt. Das Wort „Vergewaltigung“ kann in Schweden eine gänzlich andere juristische 
Bedeutung haben als in Großbritannien. Eine bösartige Scheinrealität 
wurde zur Nachricht, die um die Welt gehen sollte.

Weniger als 24 Stunden später übernahm die Stockholmer Oberstaats-
anwältin Eva Finne die Untersuchung. Sie verschwendete keine Zeit, den Haftbefehl aufzuheben und sagte: „Ich glaube nicht, dass es einen Grund 
zur Annahme gibt, [Assange] hätte jemanden vergewaltigt.“ Vier Tage 
später ließ sie die Vergewaltigungsuntersuchung in Gänze fallen und 
sagte: „Es gibt keinen Verdacht überhaupt irgendeiner Straftat.“

Auftritt Claes Borgström, eine sehr umstrittene Figur in der Sozialdemo-
kratischen Partei, damals Kandidat bei den bevorstehenden Parlaments-
wahlen in Schweden. Wenige Tage nach der Abweisung des Falls durch 
die Oberstaatsanwältin kündigte Anwalt Borgström den Medien an, er 
würde die beiden Frauen vertreten und hätte eine andere Staatsanwältin
in Göteborg ausfindig gemacht. Das war Marianne Ny, die Borgström gut
kannte, persönlich wie politisch.

Am 30. August besuchte Assange freiwillig eine Polizeistation in Stock-
holm und beantwortete die Fragen an ihn. Nach seiner Auffassung war 
das das Ende der Sache. Zwei Tage später gab Ny jedoch bekannt, dass 
sie den Fall wiedereröffnet hat.

Bei einer Pressekonferenz wurde Borgström von einem schwedischen 
Reporter gefragt, warum im Fall wieder ermittelt wird, nachdem er bereits abgewiesen worden war. Der Reporter zitierte eine der Frauen, die sagte,
sie sei nicht vergewaltigt worden. Er antwortete: „Ah, sie ist aber keine 
Anwältin.“

Am Tag, an dem Marianne Ny den Fall wiederaufgenommen hat, denun-
zierte der Chef des schwedischen Militärgeheimdienstes – der das 
Akronym MUST trägt – WikiLeaks in einem Artikel mit dem Titel 
„WikiLeaks [ist] eine Bedrohung für unsere Soldaten 
[unter US-Kommando in Afghanistan].“

Sowohl der schwedische Ministerpräsident als auch der Außenminister 
griffen Assange an, der unter keiner Anklage stand. Assange wurde 
gewarnt, dass der schwedische Geheimdienst SAPO von seinen 
US-Kollegen gesagt bekam, die Abkommen zum Austausch von Geheimdienstinformation zwischen den USA und Schweden würden „abgeschnitten,“ sollte Schweden Assange Schutz gewähren.

Für fünf Wochen wartete Assange in Schweden darauf, dass die neu 
aufgelegten „Vergewaltigungsuntersuchungen,“ ihren Lauf nähmen. 
Der Guardian stand kurz vor der Veröffentlichung der „Iraq War Logs“
[größtes Leak von Militärdokumenten in der US-Geschichte, von Chelsea

Manning geleakt, Anm. J.R.], die auf WikiLeaks-Enthüllungen basierten.
Assange sollte die Veröffentlichung in London managen.

Er durfte schließlich gehen. Sobald er dies tat, erließ Marianne Ny einen Europäischen Haftbefehl sowie einen Interpol-„Red Alert“, der normaler-
weise Terroristen und Schwerverbrechern vorbehalten ist.

Assange suchte eine Polizeistation in London auf, wurde ordnungsgemäß
verhaftet und verbrachte 10 Tage im Wandsworth Prison, in Einzelhaft. 
Nach Zahlung von 340.000 Pfund Kaution wurde er elektronisch getaggt,
musste sich täglich bei der Polizei melden und wurde faktisch unter 
Hausarrest gestellt, während sein Fall seine lange Reise zum Obersten 
Gerichtshof begann.

Ihm wurde noch immer keine Straftat zur Last gelegt. Seine Anwälte 
wiederholten Assanges Angebot, in London per Video oder persönlich 
befragt zu werden, und wiesen darauf hin, dass Marianne Ny ihm die 
Erlaubnis gegeben hatte, Schweden zu verlassen. Sie schlugen eine Sondereinrichtung im Scotland Yard vor, die von den schwedischen und 
anderen europäischen Behörden häufig zu diesem Zweck verwendet wird.
Ny lehnte ab.

Seit fast sieben Jahren, in denen Schweden 44 Personen in Großbritan- 
nien vernehmen ließ, weigert sich Oberstaatsanwältin Ny, Assange zu 
befragen und so ihren Fall voranzubringen.

In der schwedischen Presse beschuldigte Rolf Hillegren, ein ehemaliger schwedischer Staatsanwalt, Ny hätte jegliche Unparteilichkeit verloren. 
Er beschrieb ihre persönliche Involvierung in den Fall als „abnormal“ und
forderte ihren Rücktritt.

Assange bat die schwedischen Behörden um eine Garantie, dass er nicht
in die USA „überstellt“ würde, sollte er nach Schweden ausgeliefert 
werden. Dies wurde abgelehnt. Im Dezember 2010 deckte The 
Independent auf, dass die beiden Regierungen seine Auslieferung an die
USA diskutiert hatten.

Im Gegensatz zu seinem Ruf als Bastion liberaler Aufklärung hat sich 
Schweden derart nah an Washington angebiedert, dass es sogar geheime
CIA-„Überstellungen“ ermöglicht hat – einschließlich der illegalen 
Deportation von Flüchtlingen. Die Überstellung und anschließende Folter
von zwei ägyptischen politischen Flüchtlingen im Jahr 2001 wurde vom 
UN-Ausschuss gegen Folter, von Amnesty International und von Human
Rights Watch scharf verurteilt. Die Komplizenschaft und das falsche Spiel
der schwedischen Regierung sind in erfolgreichen Zivilprozessen und in WikiLeaks-Depeschen wohl dokumentiert.

„Dokumente, die von WikiLeaks veröffentlicht wurden, nachdem Assange
nach England gezogen ist,“ schrieb Al Burke, der Redakteur des Online-
Nordic News Networks, einer kompetenten Quelle über all die Wendungen
und Gefahren, denen Assange ausgesetzt war, „zeigen deutlich, dass 
Schweden dem Druck der USA in Fragen der Bürgerrechte immer wieder nachgegeben hat. Es gibt also jeden Grund zur Annahme, dass Assange in Verletzung seiner Bürgerrechte an die Vereinigten Staaten ausgeliefert 
werden würde, sollte er von schwedischen Behörden in Haft genommen 
werden.“

Der Krieg gegen Assange intensivierte sich jetzt. Marianne Ny verweigerte
seinen schwedischen Anwälten sowie den schwedischen Gerichten den 
Zugang zu Hunderten von SMS-Nachrichten, die die Polizei aus dem 
Telefon einer der beiden Frauen gezogen hat, die angeblich „vergewaltigt“
wurden.

Ny sagte, sie sei gesetzlich nicht verpflichtet, diese sensiblen Beweise 
offenzulegen, solange keine formale Anklage erhoben wurde und sie 
Assange vernommen hatte. Warum vernimmt sie ihn dann also nicht? 
Catch-22.

Als sie letzte Woche verkündete, sie würde den Fall Assange fallen lassen,
erwähnte sie mit keinem Wort die Beweise, die den Fall vernichtet hätten.
Eine der SMS macht deutlich, dass eine der beiden Frauen keine Anklage
gegen Assange wollte, „die Polizei aber war scharf darauf, ihn 
festzuhalten“. Sie war „schockiert“, als sie ihn verhafteten, weil sie nur
„wollte, dass er [einen HIV]-Test“ macht. Sie „wollte [Assange] überhaupt
keines Verbrechens beschuldigen“ und „es war die Polizei, die die 
Vorwürfe frei erfand“. Laut einer Zeugenaussage wird sie zitiert, dass sie
„von der Polizei und anderen um sie herum gedrängt“ worden sei.

Keine der beiden Frau behauptete, sie sei vergewaltigt worden. Vielmehr
haben beide widersprochen, dass sie vergewaltigt wurden und eine von 
ihnen twitterte: „Ich bin nicht vergewaltigt worden.“ Die Frauen wurden
von der Polizei manipuliert – was auch immer ihre Anwälte jetzt sagen. 
Gewiss sind auch sie die Opfer dieser finsteren Geschichte.

Katrin Axelsson und Lisa Longstaff von Women Against Rape schrieben:

„Die Vorwürfe gegen [Assange] sind ein billiger Vorwand, unter 
dem eine Reihe von Regierungen versucht, brutal auf WikiLeaks einzuschlagen, da sie es gewagt haben, der Öffentlichkeit ihre
geheimen Planungen von Kriegen und Besatzungen, von 
Vergewaltigungen, Mord und Zerstörung, zu offenbaren… 
Die Behörden scheren sich so wenig um Gewalt gegen Frauen, dass
sie sogar nach Belieben Vergewaltigungsanschuldigungen erfinden. [Assange] hat deutlich gemacht, dass er für die Befragung durch schwedische Behörden zur Verfügung steht, in Großbritannien oder
über Skype. Warum verweigern sie diesen essentiellen Schritt ihrer Untersuchungen? Wovor haben sie Angst?“

Assange stand vor einer krassen Entscheidung: Auslieferung an ein Land,
das sich weigerte, ihm zu sagen, ob es ihn an die USA ausliefern würde, 
oder – und das schien sein letzter Ausweg zu sein – nach Zuflucht und 
Schutz zu suchen.

Unterstützt von den meisten lateinamerikanischen Ländern, gewährte die Regierung des kleinen Ecuador ihm den Status als Flüchtling – auf der 
Grundlage von dokumentierten Beweisen, die belegten, dass er sich in den
USA mit grausamer und unverhältnismäßiger Bestrafung konfrontiert sah,
dass diese Bedrohung seine grundlegenden Menschenrechte verletzte, 
und dass seine eigene Regierung in Australien ihn längst fallen gelassen 
hat und mit Washington gemeinsame Sache machte.

Die Labour-Regierung der damaligen Premierministerin, Julia Gillard, 
hatte sogar gedroht, seinen australischen Pass einzuziehen – bis sie 
darauf hingewiesen wurde, dass dies illegal wäre.

Die renommierte Menschenrechtsanwältin Gareth Peirce, die Assange in 
London vertritt, schrieb an den damaligen australischen Außenminister
Kevin Rudd:

„Angesichts des Ausmaßes der öffentlichen Diskussion, häufig auf 
der Grundlage gänzlich falscher Annahmen … ist der Versuch, seine Unschuldsvermutung zu bewahren, nahezu unmöglich. Über Herrn
Assange hängt jetzt nicht nur eins, sondern gleich zwei Damokles-
Schwerter: eine mögliche Auslieferung an zwei verschiedene Gerichtsbarkeiten für zwei verschiedene angebliche Straftaten, 
von denen keine in seinem eigenen Land eine Straftat ist, und dass 
daher seine persönliche Unversehrtheit in Gefahr ist aufgrund von Umständen, die in höchstem Maße politisch motiviert sind.“

Erst nachdem sie das australische Hochkommissariat in London 
kontaktierte, erhielt Peirce eine Antwort, die jedoch keinen einzigen ihrer
drängenden Punkte beantwortete. In einem Meeting, das ich mit ihr 
besuchte, machte der australische Generalkonsul Ken Pascoe die
erstaunliche Behauptung, er wisse über die Einzelheiten des Falles „nur 
das, was ich in den Zeitungen gelesen habe.“

Im Jahr 2011 verbrachte ich in Sydney mehrere Stunden mit einem 
konservativen Mitglied des australischen Parlaments, Malcolm Turnbull.
Wir diskutierten die Bedrohungen gegenüber Assange und ihre 
Auswirkungen auf die Redefreiheit und die Gerechtigkeit generell, und 
warum Australien verpflichtet war, Assange beizustehen. Turnbull hatte
damals einen Ruf als Verfechter der Redefreiheit. Jetzt ist er der 
Premierminister von Australien.

Ich gab ihm Gareth Peirces Brief über die Bedrohung von Assanges 
Rechten und seines Lebens. Er sagte, die Situation sei zweifelsohne 
entsetzlich und versprach, es mit der Gillard-Regierung aufzunehmen. 
Dem folgte nur sein Schweigen.

Seit fast sieben Jahren ist dieser epische Justizirrtum versunken in einer Schmähkampagne gegen den WikiLeaks-Gründer. Es gibt nur wenig Vergleichbares. Zutiefst persönliche, belanglose, bösartige und 
unmenschliche Angriffe gegen einen Mann, der keines Verbrechens 
angeklagt ist und dennoch einer Behandlung unterworfen war, die nicht 
einmal einem Angeklagten droht, der wegen Mordes an seiner Frau 
verfolgt wird. Dass Assanges Bedrohung durch die USA eine Bedrohung
für alle Journalisten und für das gesamte Prinzip der Redefreiheit war, 
ging vollkommen unter in einem dreckigen und geltungssüchtigen Anti-Journalismus, wie ich ihn nennen würde.

Bücher wurden veröffentlicht, Film-Deals wurden eingefahren, große 
Medien-Karrieren nahmen ihren Anfang – alles auf dem Rücken von 
WikiLeaks und der Annahme, Assange sei Freiwild und er sei ohnehin zu 
arm, um verklagt zu werden. Die Leute verdienten Geld, einen Haufen
Geld, während WikiLeaks ums Überleben kämpfte.

Alan Rusbridger, der ehemalige Chefredakteur des Guardian, nannte die WikiLeaks-Enthüllungen, die in seinem Blatt erschienen, „einen der 
größten journalistischen Knüller der letzten 30 Jahre.“ Dennoch wurde 
kein Versuch unternommen, die Quelle des Guardians zu schützen. 
Stattdessen wurde der „Knüller“ Teil eines Marketingplans, um den Preis
der Zeitung in die Höhe zu drücken.

Ein gehyptes Guardian-Buch führte zu einem lukrativen Hollywood-Film 
– ohne dass dabei auch nur ein einziger Penny an Assange oder WikiLeaks
ging. Die Autoren des Buches, Luke Harding und David Leigh, beschrieben Assange als „geschädigte Persönlichkeit“ und als „abgestumpft.“ Sie 
verrieten auch das geheime Passwort, das er dem Blatt im Vertrauen 
gegeben hatte und das den Zweck hatte, einen digitalen Ordner zu 
schützen, der die US-Botschaftsdepeschen enthielt. Während Assange
jetzt in der ecuadorianischen Botschaft gefangen ist, erging sich Harding,
der zusammen mit der Polizei draußen stand, auf seinem Blog in 
Schadenfreude: „Jetzt wird Scotland Yard wohl als Letztes lachen.“

Journalismusstudenten sollten diese Episode genauestens studieren, um 
den allgegenwärtigen Ursprung von „Fake News“ zu begreifen – aus dem 
Inneren von Medien, die sich selbst eine falsche Ehrerbietung anerzogen 
haben und sich als bloßen Fortsatz der Autorität und der Macht verstehen
, die sie umwerben und beschützen.

In Kirsty Warks unvergesslicher Live-on-Air-Vernehmungen im Jahr 
2010 war die Unschuldsvermutung kein Thema. „Warum entschuldigst 
du dich nicht einfach bei den Frauen?“, forderte sie von Assange. 
Gefolgt von: „Haben wir dein Ehrenwort, dass du nicht durchbrennst?“

Im Today-Programm der BBC brüllte John Humphrys: „Bist du ein Sexualstraftäter?“ Assange erwiderte, die Unterstellung sei lächerlich. 
Humphrys verlangte daraufhin, Assange solle sagen, mit wie vielen 
Frauen er geschlafen hatte.

„Nicht einmal Fox News würde auf solch ein Niveau herabgestiegen, 
oder?“ fragte sich der amerikanische Historiker William Blum. 
„Ich wünschte, Assange wäre wie ich in den Straßen von Brooklyn 
aufgewachsen. Er hätte dann genau gewusst, wie man auf eine solche 
Frage zu antworten hat: ‘Meinst du jetzt einschließlich deiner Mutter?‘ “

Am Tag, an dem Schweden letzte Woche ankündigte, dass Assanges Fall fallengelassen wurde, wurde ich auf BBC World News von Greta Guru-
Murthy interviewt, die wenig Kenntnis vom Fall Assange zu haben schien.
Sie beharrte darauf, von „Anklagen“ gegen ihn zu sprechen. Sie 
beschuldigte ihn, Trump ins Weiße Haus verholfen zu haben. 
Und sie packte mich mit ihrem „Fakt“, dass „führende Politiker überall 
auf der Welt“ ihn verurteilt hatten. Unter diesen „führenden Politikern“ 
nannte sie Trumps CIA-Direktor. 
Ich fragte sie: „Sind Sie eine Journalistin?“

Die Ungerechtigkeit, die Assange angetan wurde, ist einer der Gründe, 
warum das Parlament im Jahre 2014 das Auslieferungsgesetz 
überarbeitete. „Er hat seinen Fall voll und ganz gewonnen,“ sagte Gareth 
Peirce, „diese Gesetzesänderungen bedeuten, dass Großbritannien jetzt
alles als korrekt erkennt, was in seinem Fall argumentiert wurde. Doch er
profitiert davon nicht.“ Mit anderen Worten, er hätte seinen Fall in den
britischen Gerichten gewonnen und wäre nicht dazu gezwungen gewesen,
Zuflucht in der ecuadorianischen Botschaft zu suchen.

Ecuadors Entscheidung, Assange im Jahr 2012 diesen Schutz zu 
gewähren, war immens mutig. Auch wenn die Gewährung von Asyl ein humanitärer Akt ist und die Macht, dieses Recht auszuüben, allen Staaten
durch das Völkerrecht garantiert wird, weigerten sich sowohl Schweden 
als auch Großbritannien, die Legitimität der Entscheidung Ecuadors anzuerkennen.

Die ecuadorianische Botschaft in London wurde von der Polizei belagert 
und ihre Regierung wurde diffamiert. Als William Hagues Außenminis-
terium plante, das Wiener Übereinkommen über diplomatische 
Beziehungen zu verletzen, und drohte, dass es die diplomatische 
Unantastbarkeit der Botschaft verletzen und die Polizei dazu bringen 
würde, Assange gefangen zu nehmen, konnte nur ein globaler öffentlicher Aufschrei die Regierung dazu bringen, diesen Völkerrechtsbruch am Ende
nicht zu begehen.

In einer Nacht erschien die Polizei am Fenster der Botschaft in einem offensichtlichen Versuch, Assange und seine Beschützer einzuschüchtern.

Seitdem ist Assange in einem kleinen Zimmer ohne Sonnenlicht gefangen.
Er war von Zeit zu Zeit krank und verweigerte die sichere Fahrt ins 
Krankenhaus. Doch blieben seine Widerstandsfähigkeit und sein dunkler 
Humor bemerkenswert unter diesen Umständen. Als er gefragt wurde, 
wie er sich mit seiner Gefangennahme schlägt, antwortete er: 
„Sicher besser als ein Hochsicherheitstrakt.“

Es ist nicht vorbei, aber die Knoten lösen sich. Die UN-Arbeitsgruppe zu Willkürlicher Inhaftierung – das Tribunal, das beurteilt, Regierungen 
ihren Menschenrechtsverpflichtungen nachkommen – hat im 
vergangenen Jahr entschieden, dass Assange von Großbritannien und 
Schweden rechtswidrig inhaftiert worden sei. Das ist Völkerrecht vom 
Feinsten.

Sowohl Großbritannien als auch Schweden nahmen an der 16-monatigen
UN-Untersuchung teil und legten Beweise vor und verteidigten vor dem 
Tribunal ihre Position. In früheren Fällen, in denen die Arbeitsgruppe ein
Urteil fällte – Aung Sang Suu Kyi in Burma, der inhaftierte Oppositions-
führer Anwar Ibrahim in Malaysia, der im Iran eingesperrte Washington
Post-Journalist Jason Rezaian – unterstützten Großbritannien und
Schweden das Tribunal in höchstem Maße. Der Unterschied ist, dass 
Assange jetzt im Herzen Londons eingesperrt ist.

Die Metropolitan Polizei sagt, dass sie noch immer beabsichtigen, 
Assange zu verhaften, sollte er die Botschaft verlassen – wegen Kautionsverletzungen. Was dann? Ein paar Monate im Gefängnis, 
während die USA ihren Auslieferungsantrag an die britischen Gerichte stellt?

Wenn die britische Regierung dies zulässt, wird sie von den Augen dieser
Welt umfassende historische Ächtung erfahren – für ihre 
Komplizenschaft in diesem schändlichen Verbrechen, für ihre 
ungebändigte Machtdemonstration gegen Gerechtigkeit und Freiheit, 
und gegen uns alle.

Dieser Artikel von John Pilger wurde mit freundlicher Genehmigung von NewMatilda von Jakob Reimann für
 JusticeNow! ins Deutsche übersetzt.